Erklärung des Deutschen Designtags
zum aktuellen Stand der pandemiebedingten Unterstützungen
durch Bund, Länder und Kommunen

I.
Der Designtag begrüßt ausdrücklich die zuletzt mehrfach öffentlich
dokumentierte Anerkennung der Kultur- und Kreativwirtschaft als eine von der Pandemie besonders betroffene Branche.

Nach zwei entsprechenden Pressemitteilungen haben die geäußerten Absichtserklärungen nunmehr auch Niederschlag in der in Aussicht gestellten Überbrückungshilfe III gefunden. Darauf haben wir lange gewartet: Endlich kommen auch aus dem BMWi Signale, die der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedeutung des drittgrößten Wirtschaftszweigs in Deutschland entsprechen, innerhalb derer die Designwirtschaft einen herausragenden Platz einnimmt.

II.
Mit der am Freitag, dem 13. November 2020 in Aussicht gestellten Überbrückungshilfe III haben das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gemeinsam mit dem Bundesministerium für Finanzen nach der Soforthilfe, der Überbrückungshilfe II, dem Kulturinfrastrukturprogramm sowie der Novemberhilfe nunmehr das fünfte Modell zur Unterstützung der Kultur- und Kreativwirtschaft in Aussicht gestellt.
Es ist sehr anerkennenswert, dass die Bundesregierung versucht, den sich dynamisch entwickelnden Problemen mit entsprechenden neuen Programmen Rechnung zu tragen. Weiterhin begrüßen wir ausdrücklich, dass nun endlich erstmals unter dem Begriff Neustarthilfe explizit die Förderung von Solo-Selbstständigen in den Blick genommen wurde, die einen erheblichen Teil der Akteure innerhalb der Kultur- und Kreativwirtschaft ausmachen.

Erkennbar bleiben jedoch auch hier deutliche Unsicherheiten und Schwächen, was die gezielte Förderung dieser bislang unzureichend adressierten Geschäftsmodelle betrifft.

Die Neustarthilfe kann von Solo-Selbstständigen für die Monate Dezember 2020 bis Juni 2021 in einer Höhe bis zu 5.000 Euro in Anspruch genommen werden, wenn die Umsätze um mehr als 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr eingebrochen sind. Das bedeutet eine maximale Unterstützung für diesen Zeitraum in Höhe von umgerechnet monatlich 714,29 Euro.

  • Der Deutsche Designtag hält diesen Betrag für zu gering, um die wirtschaftliche Existenz von Kreativschaffenden zu erhalten, die unter Umständen seit neun Monaten unter erheblichen Umsatzeinbrüchen leiden und seitdem kaum wirksame Hilfen erhalten haben. Es ist nicht nachvollziehbar, warum hier nicht wenigstens eine Auszahlung des in drei Bundesländern geltenden Unternehmerlohns von 1.180 Euro in Anschlag gebracht wurde.
  • Die Hilfe kommt zu spät. Eine Beantragung ist nach Auskunft des BMWi »einige Wochen nach Programmstart im neuen Jahr« möglich. Viele der Kreativschaffenden, die bereits seit Wochen von ihrer Altersvorsorge zehren, halten nicht mehr lange durch.
  • Das Geschäftsmodell von Solo-Selbstständigen muss endlich als eine nachhaltige und zukunftsweisende Form verantwortungsvollen wirtschaftlichen Handelns anerkannt werden. Wie alle Unternehmerinnen und Unternehmer kalkulieren Solo-Selbstständige ihre Preise auf der Grundlage ihrer Kosten – also der Miete, der Krankenversicherung etc. Wenn kein externes Büro benötigt wird, taucht es in ihrer Kalkulation nicht auf. Mit den weiter bestehenden Vorbehalten, Lebenshaltungskosten anzuerkennen, wird seitens der Politik ein ganzes Geschäftsmodell abgelehnt. Das ist dringend zu überdenken. Denn selbstständige Wissensarbeiter mit geringen Betriebskosten gehen nach wie vor weitgehend leer aus, weil raumgreifende Produktionshallen mit teuren Anlagen offenbar immer noch eher ein Ausweis echter unternehmerischer Tätigkeit sind als das leistungsfähige Notebook auf dem Schreibtisch.

III.
Leider sind die kürzlich getätigten Beiträge zur Kultur- und Kreativwirtschaft von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier ausgesprochen ambivalent:
einerseits die im neu vorgelegten Monitoring-Bericht der Bundesregierung dokumentierte Bedeutung der Kultur- und Kreativwirtschaft, innerhalb derer die Designbranche einen herausragenden Platz einnimmt, andererseits die irritierende Aufforderung in einem internationalen Kontext (ab Minute 52:35), die deutsche Kultur- und Kreativwirtschaft müsse sich doch besser organisieren. Abgesehen davon, dass es Spitzenorganisationen wie etwa den Deutschen Kulturrat oder eben den Deutschen Designtag und andere Dachverbände längst gibt, zeugt die Äußerung von einem nach wie vor eklatanten Missverständnis. Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist deswegen so interessant, weil sie in ihrer Vielfalt und Bandbreite eben nicht den Mustern konventioneller Industrien entspricht. Gerade in der Designwirtschaft sind jene modernen Arbeitsformen und Innovationsmethoden längst üblich, die traditionelle Wirtschaftszweige absehbar brauchen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Es ist daher dringend erforderlich, dass im Wirtschaftsministerium eine Struktur aufgebaut wird, die der ausgewiesenen wirtschaftlichen Bedeutung gerecht wird und die gewolltermaßen deren Interessen und Besonderheiten im Ministerium selbst vertritt. Wir halten dies für eine unerlässliche Maßnahme zur Sicherung des Innovations- und Wirtschaftsstandorts Deutschland.

Nicht die progressiven, innovativen Branchen müssen sich den Strukturen und Prozessen konventioneller Industrien anpassen, sondern umgekehrt.

IV.
In Zusammenhang mit der Überbrückungshilfe II haben die Länder Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Thüringen die Möglichkeit für Solo-Selbstständige geschaffen, einen fiktiven Unternehmerlohn zu beantragen, der aus landeseigenen Mitteln finanziert wird. Wir begrüßen diese Regelung sehr. Wir fordern die anderen Länder auf, eine vergleichbare Regelung zu schaffen. Es bleibt unverständlich, warum ein Instrument, das offenbar so erfolgreich ist, dass es auch in der zweiten Phase der Überbrückungshilfen verlängert wurde, nicht auch in anderen Bundesländern zum Einsatz kommt bzw. auf Bundesebene in die Überbrückungshilfe III integriert wurde.

V.
Seit März dieses Jahres haben wir viele Unterstützungsmöglichkeiten gesehen, sei es in Form von Förderung, Krediten, Verlustrückträgen etc. Sie wurden unterschiedlich intensiv in Anspruch genommen.

Jetzt ist unseres Erachtens die Zeit für eine Auswertung und Bewertung der Angebote. Diese sollten die Basis bilden für weitere Hilfen bzw. notwendige Korrekturen an bestehenden.

Leider scheint uns dies bei der Entwicklung der Rahmenbedingungen der Überbrückungshilfe III nicht in Gänze erfolgt zu sein.

VI.
Abschließend: Es bedarf unbedingt einer eindeutigen Differenzierung in den Äußerungen der Bundesregierung. Die Kultur darf schon ihrem verfassungsmäßigen Auftrag (GG Art. 5, Abs. 3) nach nicht gleichgesetzt werden mit den Begrifflichkeiten wie »Freizeitgestaltung« oder »Freizeiteinrichtungen«, wie es in einer ersten Präsentation der Novemberhilfen und vor allem in einer ersten Fassung des soeben verabschiedeten Infektionsschutzgesetzes nachzulesen war.

Im Gegenteil. Gerne wird bei anderer Gelegenheit auf die besondere Funktion der Kultur für den Zusammenhalt der Gesellschaft hingewiesen. Das muss dann auch in einer entsprechenden gedanklichen und sprachlichen Kategorisierung sichtbar werden. Wir begrüßen es daher sehr, dass der Gesetzesentwurf zum Infektionsschutzgesetz noch einmal geändert wurde und die Kultur nunmehr in der verabschiedeten Fassung als eigener Bereich aufgeführt wird.

Ein stabiles Gemeinwesen braucht gerade jetzt mehr denn je ganz viel Kultur, kommt aber auch mit deutlich weniger Autos aus.