Design-Awards und Geschlechtergerechtigkeit

Ausgezählt: Countathon zur Besetzung von Jurys im Designbereich

»Designpreisjurys ausgezählt« ist eine regelmäßige Untersuchung des Deutschen Designtags. In ihr beschäftigt sich der Dachverband mit der Zusammensetzung von Designjurys in Bezug auf deren Geschlechtszugehörigkeit im deutschsprachigen Raum. Hierzu werden die auf den Websites der jeweiligen Designpreise veröffentlichten Jurymitglieder ausgezählt – die Geschlechterzugehörigkeit wird dabei gelesen.
Im März 2023 wurde für die Zählung in Kooperation von Designtag und Deutschem Designer Club ein COUNTATHON durchgeführt, bei dem 20 Designer*innen in Frankfurt die Daten von etwa 150 Jurys erhoben. Soviel vorneweg: am Ziel einer ausgeglichenen Besetzung aller Jurys sind wir noch nicht angekommen.

Auswertung

Beschrieben werden hier lediglich Auffälligkeiten positiver und negativer Art sowie kurze Analysen branchenspezifischer Charakteristika, was die Jury-Besetzungen betrifft. Insofern sind die namentlich benannten Jurys als exemplarische Trends zu lesen. Alle aktuellen Zahlen sowie die Ergebnisse der Zählung von 2021 sind hier ausführlich dokumentiert.

1. Auffälligkeiten männlich dominierter Jurys

Die meisten der sehr vielen ADC-Jurys weisen ein katastrophales Geschlechterverhältnis zuungunsten der Frauen aus. Es gibt sogar einige, die ganz ohne Frauen auskommen (15m : 0w bei Dialogmarketing oder Interface + Motion!).

Weitere Beispiele sind:

  • BoB (Best of Business to Business): 27m : 9w
  • Cannes Corporate Media & TV Awards: 28m : 21w
  • Corporate Design Preis: 13m : 4w
  • European Product Design Award: 13m : 4w
  • Auto Vision Award: 14m : 6w
2. Auffälligkeiten von Jurys mit Tendenz zu Geschlechtergerechtigkeit

Der ADC hat erschreckend wenige Jurys zu bieten, in denen das Geschlechterverhältnis ausgeglichen ist, z.B.: Film – Craft (7m : 8w und 8m : 7w), Graphic + Product + Packaging (8m : 7w und 7m : 8w), Brand Identity/Design+Communication Arts (7m : 8w und 6m : 9w)
Hervorzuheben ist Brand Building + Activation – Integrated (=Kommunikation), wo sich die Zusammensetzung von 13m : 2w in 20/21 deutlich verbessert hat auf auf ein faires Verhältnis von 8m : 7w in 22/23, ebenso Copy (8m : 7w)

Graduelle Verbesserungen gibt es bei einigen Jurys von 20/21 auf 22/23, z.B.:
Film — Mobile/Online, Film TV/Cinema, Imagery — Photography

Ebenfalls etwas verbessert hat sich der iF Design Award: von 50m : 25w in 20/21 auf 74m : 57w in 22/23. Der renommierte Annual Multimedia Award ist wohl sehr egalitär vertreten (auch auf der Website kommen viele Frauen in Videos zu Wort): Wir haben nur die Zahlen von 22/23 vorliegen: 6m : 7w.

3. Auffälligkeiten weiblich dominierter Jurys

Der Fashion-Nachwuchspreis Apolda European Design Award war 20/21 mit 8:10 und in 22/23 mit 4:9 besetzt, also eine deutliche Mehrheit weiblicher Jurymitglieder.
Dass die Jury des iphiGenia Gender Design Award von Beginn an überwiegend weiblich besetzt ist, scheint aufgrund der Zielsetzung nicht besonders erstaunlich (1m : 4w).
Verbessert im Sinne eines ausgeglichenen Geschlechterverhältnisses haben sich z.B. der German Design Award (von 14m : 8w auf 18m : 19w), der Green Product Award (von 16m : 12w auf 12m : 14w).

Auch scheint die Kategorie „Ökologie/Nachhaltigkeit“ Frauen in den Jurys häufiger zahlenmäßig gerechter zu akzeptieren, z.B. Deutscher Nachhaltigkeitspreis 8m : 9w.

Weitere Beispiele sind:

  • BBF Förderpreis: 2m : 5w
  • Beyondplastic Award: 4m : 4w und 2m : 5w
  • Buntspecht: 2m : 3w und 2m : 4w.
  • Der Meefisch (Bilderbuchillustration): 1m : 4w
  • Eurobest: 20m : 24w

Besonders positiv hervorzuheben ist die Jurybesetzung in den von Bundesländern vergebenen Designpreisen: Designpreis Brandenburg 5:5, Designpreis Rheinland-Pfalz 3m : 4w, Gestaltungspreis Hessen 1m : 5w, Hess. Staatspreis Universelles Design 5m : 7w.

4. Analyse

Neben tendenziellen Verbesserungen des ausgeglicheneren Geschlechterverhältnisses geht es in der Breite weiterhin ungerecht zu. Zudem ist ebenso bemerkenswert wie ärgerlich, dass sich Geschlechterstereotype weiterhin halten: Designbereiche, die traditionell als „weiblich“ gelten – Textil, Mode, Style, Interior, Kommunikation/PR (hier insbesondere: Print- und Postergestaltung, Illustration, Kinderbücher…) –, versammeln die Jurys egalitär oder zugunsten von Designerinnen. Bereiche, die gesellschaftlich eher „männlich“ assoziiert werden – Produkt, Marketing, Auto/Mobilität, Film…– spiegeln sich genauso in der personellen Besetzung der Jurys.
Ein Zeichen dafür, dass sich zukünftig an der ungleichen Zusammensetzung der Design-Jurys etwas ändern könnte, sind die Nachwuchspreise mit einem deutlich besseren Geschlechterverhältnis: Kölner Designpreis: 2m : 3w, mb21 (Multimedia für alle bis 25 Jahre): 4m : 5w, Nachwuchspreis MehrWert NRW: 1m : 6w

Was also lernen wir daraus?

Es gibt Ansätze, Jurybesetzungen zugunsten eines besser ausbalancierten Geschlechterverhältnisses zu verändern; einige Jurys haben sich von 20/21 auf 22/23 verbessert – hier bleibt zu beobachten, wie sich die Tendenz weiterhin verhält und ob tatsächlich ein nachhaltiger Bewusstseinswandel stattgefunden hat.
Noch zu viele Jurys sind dominant (manche sogar ausschließlich) männlich besetzt, und leider befinden sich viele der renommierten und als besonders wichtig erachteten Organisationen darunter, die die Jurys geschlechterungerecht besetzen.

Es bleibt noch sehr viel zu tun!

Da es bisher noch kaum Zahlen und Daten zur Zusammensetzung der Designjurys im deutschsprachigen Raum gibt, war es ein erster Schritt für den Designtag, die Geschlechterverhältnisse in den Designjurys aufzuzeigen. Einige Jurys haben anhand der Zahlen des DT bereits Schritte eingeleitet, ihre Jurys geschlechtergerechter zusammenzusetzen. Dabei wird wieder einmal deutlich, wie die Visualisierung von Zahlen Veränderungen begünstigen kann.
Die Studie ist so angelegt, dass männliche, weibliche und diverse Jurymitglieder gezählt werden. Zu den diversen Jurymitgliedern gibt es noch keine Daten, da bei den bisherigen Zählungen leider niemand als divers gelesen wurde. Auch hier wünschen wir uns mehr Präsenz und Sichtbarkeit der sich divers lesenden Jurymitglieder.

Ebenso wichtig: Preise von einer divers aufgestellten Jury werden auch diverser vergeben. Dabei ist natürlich nicht nur die Frauenquote interessant – sondern auch das Verhältnis von People of Color und weißen Menschen oder auch Menschen, die mit Behinderungen leben. Leider lässt sich das deutlich schlechter zählen – weswegen wir es bei der Zählung der Frauen- und Männernamen belassen müssen.

Text: Uta Brandes, Thomas Hoyer, Miriam Horn-Klimmeck, Judith Augustin, Grafik: Studioaugustin

Website zum Projekt: https://studiedesignjurys.designtag.org.